Paul-Schempp-Preis

Prediger – Pädagoge - Demokrat

Paul Schempp wurde am 4. Januar 1900 in Stuttgart als fünftes von neun Kindern einer vom Pietismus geprägten Handwerkerfamilie geboren. Am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart machte er sein Abitur. Als Schüler sah er „das Sterben fürs Vaterland“ in den Jahren des 1. Weltkriegs (1914-1918) als hohes Ziel und meldete sich 1917 freiwillig zum Militärdienst. Er studierte dann Evangelische Theologie in Tübingen, Marburg und Göttingen und – geprägt von der Theologie Karl Barths – suchte er nach unbedingter Wahrheit: „Wann werden Menschen endlich aufhören, mit Gott wie mit einem Gassenjungen zu verkehren!“

Paul Schempp ca. 1956 beim Unterricht am Eberhard-Ludwig-Gymnasium, Stuttgart
Paul Schempp ca. 1956 beim Unterricht am Eberhard-Ludwig-Gymnasium, Stuttgart

Neben seiner ersten Pfarrstelle in Waiblingen unterrichtete er von 1931 bis 1933 als Religionslehrer am Königin-Olga-Stift in Stuttgart. Mittlerweile hatte sich Schempp zum konsequenten Kriegsgegner entwickelt und beendete einen Disput im Lehrerzimmer über die Rolle Adolf Hitlers und die Zukunft Deutschlands mit den Worten: „Ich gehe jetzt ins Klassenzimmer zu meinen zukünftigen Kriegswitwen“. Er wurde denunziert, mit einem staatlichen Berufsverbot belegt und aus dem Schuldienst entlassen. 1934 übernahm er eine Pfarrstelle in Iptingen (heute ein Ortsteil von Wiernsheim im Enzkreis).

 

Paul Schempp gehörte im Kirchenkampf zu den radikalen und konsequenten Bekennern der ersten Stunde: Wie für Martin Luther war für Schempp die Bibel alleiniger Maßstab. Mit der theologischen Erklärung von Barmen (1934) forderte er, dass es neben dem Evangelium (Barmen I: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes …“) keine andere Offenbarungsquelle geben darf, also auch nicht die nationalsozialistische Ideologie.

 

Schon 1930 gründete er mit seinem Freund Hermann Diem die Kirchlich-Theologische Sozietät, die sich früh gegen die Deutschen Christen wandte. Er war Mitglied der Bekennenden Kirche und nahm an den Bekenntnissynoden von Barmen und Berlin-Dahlem teil.

 

Insbesondere vermisste er eine geradlinige Haltung seiner Kirchenleitung gegenüber der Ideologie und Kriegstreiberei Adolf Hitlers und des Nationalsozialismus. Er mahnte Landesbischof Wurm ständig und schrieb 1934: „Dienst der Kirchenleitung ist primär nicht Ordnungsdienst, sondern Wachdienst über die Alleingültigkeit des Wortes Gottes in Glaube und Liebe bei allem kirchlichen Handeln.“ Der Konflikt mit der Kirchenleitung – er nannte sie „Gottlosenzentrale am Rotebühlplatz“ – eskalierte 1938, als Bischof Wurm den Eid auf Adolf Hitler (den „Führereid“) verlangte. Paul Schempp verweigerte diesen zusammen mit anderen Theologinnen und Theologen und wurde 1939 seines Pfarramtes enthoben. Die Gemeinde in Iptingen stand jedoch zu ihm und trennte sich von der Landeskirche. Sie unterstützte ihn, vor allem aber seine Frau und die vier Kinder, während seines Kriegsdiensts. Nachdem etliche Vermittlungsversuche scheiterten, zog Schempp die Konsequenz, trat 1943 aus der Kirche aus und verzichtete somit auf sein Amt als Pfarrer.

 

Nach Kriegsende und Kriegsgefangenschaft wurde er Pfarrer in der evangelisch-reformierten Gemeinde in Stuttgart und arbeitete wieder als Religionslehrer am Eberhards-Ludwigs-Gymnasium. Gleich nach Kriegsende verfasste er einen Text „Der Weg der Kirche“, der das zurückliegende Unrecht, Versagen und Schweigen der Kirche gegenüber den Juden als schwere Schuld benannte und daraus tiefgreifende Konsequenzen für ihre Theologie zog, vor allem aber auch die künftige Gestaltung von Kirche anmahnte.

 

Erst 1949 kam es wieder zu einer Verständigung mit Landesbischof Wurm und er erhielt die Erlaubnis zum Predigtdienst. Doch Schempp unterrichtete weiter als Religionslehrer an der Schule, an der er selber als Schüler das Abitur machte.

1955 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn verliehen und dort 1958 zum Professor für praktische und systematische Theologie berufen. Nach nur zwei Semestern Lehrtätigkeit verstarb Paul Schempp 1959 nach schwerem Leiden.

Der Preis

Leistung – Haltung – Engagement

Verpflichtung zu Aufrichtigkeit und Wahrheit, eigenes Denken – unbeeinflusst vom Mainstream – und verantwortliches Handeln aufgrund reflektierter Erkenntnis zeichnen Paul Schempp als Person und Theologen aus und werden auch im 21. Jahrhundert dringend benötigt.

 

Mit dem nach Paul Schempp benannten Preis erinnert die Evangelische Landeskirche in Württemberg an diesen herausragenden Theologen.

 

Gleichzeitig verschweigt sie nicht, dass ihre Haltung gegenüber dem Namensgeber vom damaligen Denken beeinflusst nicht der Eindeutigkeit entsprach, die Paul Schempp immer wieder von seiner Kirchenleitung einforderte.

 

Der Preis, der in den Abschlussklassen aller Schularten für besondere Leistungen und Engagement im Religionsunterricht verliehen werden kann, soll daran erinnern, dass Religion mehr ist als Wissensvermittlung bzw. –aneignung. Unterricht will Wissen und Kompetenzen vermitteln, um einen eigenen Standpunkt zu gewinnen und diesen in einen Diskurs einzubringen. Lernen und Leben sind also nicht zu trennen, so wie bei Paul Schempp die eigene Überzeugung und der Mut, für diese einzutreten. Dazu möchte dieser Preis anregen.

Das Vergabe­verfahren

Landeskirchlicher Preis im Fach
Evangelische Religionslehre

Die Evangelische Landeskirche vergibt seit dem Schuljahr 2004/2005 für hervorragende Leistungen im Fach "Evangelische Religionslehre" einen Fachpreis. Der Preis bringt die Anerkennung und Wertschätzung der von Schülerinnen und Schülern im Raum der Schule geleisteten Arbeit durch die Kirche zum Ausdruck. Er wird an die Absolventin / den Absolventen des Abschlussjahrgangs einer Schule verliehen, die oder der das beste Ergebnis in Ev. Religionslehre erzielt hat. In jeder Schule kann der Preis nur einmal pro Schuljahr vergeben werden.

 

Der Paul Schempp Preis wird nach dem Württembergischen Pfarrer, Religionslehrer und Theologieprofessor Paul Schempp (1900 - 1959) benannt.

 

Als Voraussetzung für die Verleihung eines Preises gilt:

  1. An der Hauptschule / Werkrealschule / Realschule / Berufsschule (2 BFS, BK): Note 1 in der Halbjahresinformation und in der Abschlussnote sowie gegebenenfalls in einer religionsbezogenen Abschlussprüfung
  2. An allgemein bildenden und beruflichen Gymnasien: Engagement und Leistungen in Religionslehre, die im Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife mit der Note "sehr gut" bewertet wurden. Dazu zählen die Leistungen in den Jahrgangsstufen insgesamt, ggf. eine besonderen Lernleistung (Seminarkurs, Wettbewerb) und ggf. die schriftliche oder mündliche Abiturprüfung. Die Formulierung "Engagement und Leistungen" sollen zeigen, dass es in Religionslehre nicht nur um Leistungen geht. Zur Abiturnote gehören auf jeden Fall die Religionsnoten der 4 Halbjahre der beiden Jahrgangsstufen. Ob eine schriftliche Abiturprüfung, eine mündliche Prüfung in Religion, ein Seminarkurs mit Beteiligung des Faches Evang. Religionslehre oder ein Wettbewerb mit Religionsthema in die Berechnung dieses Durchschnitts einbezogen werden kann, hängt von den Belegungen der einzelnen Schülerinnen / Schüler ab, darf jedoch nicht zu einem Ausschlusskriterium für den Preis führen. Jede vorhandene Note zählt bei der Berechnung einfach. Da der Preis nur an die Beste/den Besten eines Jahrgangs verliehen wird, kommt es auf den genauen Notendurchschnitt an. Auch wenn der mögliche Spielraum für den Erhalt des Preises 12,5 bis 15,0 Punkte umfasst, liegen die Besten eines Jahrgangs in der Regel im oberen Bereich dieser Spanne.
  3. An Gemeinschaftsschulen und Waldorfschulen ist entsprechend des Schulabschlusses a) bzw. b) zu verfahren
  4. An Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) wird analog verfahren wie a) bzw. b). Sollte im Abschluss keine Note erteilt werden, sondern Lernleistungen verbal beschrieben werden, kann eine Schülerin / ein Schüler aufgrund herausragenden Engagements, vorbildlicher Teilnahme bzw. Aktivität z.B. an einem Projekt für den Preis vorgeschlagen werden.

Der Preis wird von der Landeskirche auf Antrag von Religionslehrkräften verliehen.

 

Der Antrag wird bei der zuständigen Schuldekanin/dem zuständigen Schuldekan gestellt und enthält Angaben über Name der Schule, Schulart (sofern diese nicht eindeutig aus dem Namen der Schule hervorgeht), Name und Wohnort des Schülers/der Schülerin und die erbrachte Leistung.

 

Der Preis besteht aus einer Urkunde und einem Buchgutschein.

 

Die Urkunde des Oberkirchenrats wird durch den Dezernenten und den Schuldekan/die Schuldekanin unterschrieben. Sie erwähnt den Namen des Schülers/der Schülerin, sowie die Schule und den Schulort.

 

Die Preise werden bei den schulischen Abschlussfeiern öffentlich überreicht.

 

Stuttgart, den 31. März 2005, geändert im April 2013 und Mai 2016 - sowie aufgrund der besonderen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie für das Schuljahr 2019/20 im April 2020

 

OKR Stuttgart, Referat Religionsunterricht, Schule und Bildung