Umgang mit schwer belast­enden Situati­onen in der Schule

Die Schule ist nicht nur Lernwelt, sondern immer auch Lebenswelt. Zum Leben gehören auch Momente, die einen einzelnen, eine Gruppe oder die ganze Schulgemeinschaft schwer belasten.

 

Der Tod eines Kollegen, die plötzlich schwer erkrankte Schülerin oder der Unfall auf dem Schulweg treffen die Schulgemeinschaft immer unerwartet und häufig unvorbereitet.

 

Was ist dann zu tun? Wie kann Trost und Hoffnung in solchen Momenten gefunden und gespendet werden? Wer ist bereit, sich mit der Trauer und Wut auseinanderzusetzten? Wie packt man es an?

In jeder Schule gibt es ein Kriseninterventionsteam (KIT), dem neben den Verantwortlichen der Schule auch häufig die Schlseelsorgenden angehören. Die Erfahrung zeigt, dass sich in den KITs vieles um den äußersten Ernstfall, der Räumung des Schulgebäudes etwa, dreht.

 

Dabei beeinflussen gerade die "kleinen" Krisen - wie Krankheit und Trauer - das Schulleben und den Schulalltag besonders. Sie treten auch viel häufiger auf als der oft geprobte Brandfall.

 

Das heißt, jeder Lehrer und jede Lehrerin kommt im Laufes seines Berufslebens in die Situation Krisenbewältigung oder Seelsorgearbeit in der Schule zu tun zu müssen. Ungünstig ist es dann, so zu tun, als wäre nichts geschehen. Eine Lehrerin berichtet beispielsweise: „Vor einigen Jahren starb ein Kind. Am nächsten Tag blieb sein Platz einfach leer. Und niemand redete darüber.“

 

Vor allem in der Aufarbeitung des Amoklaufes in Winnenden hat sich diese Herangehensweise grundsätzlich gewandelt. Die umliegenden Schulen mussten reagieren und eine größere Sensibilität dafür entstanden, dass auch Schulen sich dem Umgang mit Trauer und Tod stellen müssen.

 

Wie dies aussieht, kann sehr verschiedenen sein, je nachdem, ob es ein Kind oder Jugendlichen der eigenen Einrichtung betrifft, oder die Angehörigen eines Kindes. Ein Suizid beschäftigt eine Schule in besonderer Weise. Und der Tod mehrerer Schülerinnen und Schüler nach einer Katastrophe kann den Schulalltag für lange Zeit aus der Bahn werfen.

 

Häufig muss sehr schnell reagiert werden. Daher ist es ratsam, dass sich jede Schule schon im Vorfeld und in Ruhe Gedanken über folgende Fragen macht:

  • In welcher Situation wird etwas getan?
  • Wer leitet die Maßnahmen ein? Wer entscheidet über Maßnahmen? Wer wird dabei einbezogen?
  • Wer wird informiert? Wer führt die Maßnahmen durch?
  • Welche externen Hilfsangebote stehen der Schule (in der Umgebung) zur Verfügung?
  • Wo sind ist die Grenzen dessen, was die Schule aus eigener Kraft bewältigen kann und wo benötigt sie weitere Hilfe z.B. durch das KIT des Landes?

Für weitere Überlegungen, um mit diesen Situationen im Ernstfall besser umgehen zu können, geben wir Ihnen einige hilfreiche Hinweise an die Hand geben:

Im Gespräch mit der Klasse sein
Beim Tod eines Schülers oder einer Schülerin

Die Lehrkraft ist oft selbst sehr betroffen. Vielleicht tut es gut, nicht alleine in die Klasse gehen. Kolleg/innen können gebeten werden, mitzukommen, vielleicht steht sogar eine Fachkraft zur Verfügung (Schulpsychologe:in, Schulseelsorger:in…) Legen Sie sich am besten Ihre ersten Sätze zurecht.

Zu Beginn des Gespräches ist es wichtig, Halbwahrheiten, Vermutungen und Gerüchten entgegenzutreten und die Schüler/innen sachlich zu informieren. Das stellte das Gespräch auf eine sicherere Ausgangsbasis. Unter Umständen macht es Sinn, vorher mit dem Krisenteam abzusprechen, welche Informationen weitergegeben werden.

 

Gesprächsbeginn könnte sein: Etwa sehr Schlimmes/Trauriges ist geschehen. Wahrscheinlich habt ihr schon davon gehört/habt ihr es schon erfahren ... oder "Name" fehlt, er/sie kommt nicht mehr (dann die genauen Informationen geben).

 

Die Reaktionen in den Klassen können sehr unterschiedlich sein. Es kann sogar lautes Lachen als Form des 'nicht realisieren Wollens oder Könnens' vorkommen. Normal ist aber eher, dass eine Art "Starre" eintritt, viele sind nicht in der Lage zu reden oder zu reagieren.

 

Hier macht es Sinn, verschiedene Angebote zu machen, wie sie im Abschnitt "Kreative Gestaltungsmöglichkeiten" beschrieben sind.

 

Dies könnte man so eröffnen: "Wir sind alle ratlos/sprachlos/entsetzt. Auch mich hat diese Nachricht tief betroffen gemacht/schockiert/entsetzt."

 

Geben Sie den Schülerinnen und Schüler Raum, um über ihre Trauer zu reden. Zum Beispiel könnten Sie die Mitschülerin/den Mitschüler die verstorbene Person beschreiben lassen, Erinnerungen austauschen ... erzählen, was sie besonders gerne mochte, was sie noch vorhatte, was sie ihr oder ihm wünschen.

Oder, wenn die Schüler/innen lieber still arbeiten wollen, könnten sie einen "Brief" an den Verstorbenen schreiben ("Was ich dir noch sagen will ...") und auf den Platz legen (dort steht eine Kerze). Klären, was mit den Briefen geschieht.

 

Hilfreich sind auch verschiedenen "Stationen", wie im Menüpunkt "Kreative Gestaltungsmöglichkeiten" beschrieben. Eine Station könnte ein Gesprächskreis mit der Lehrkraft sein. Andere Stationen bieten Still- und Eigenarbeit an.

 

Weisen Sie sie darauf hin, wie es ihnen eventuell in den nächsten Tagen gehen kann, dass ihnen das Erlebte nachgeht und sie beeinträchtigt. ("Was hilft/tröstet euch, wenn es euch schlecht geht/ihr niedergeschlagen seid?")

 

Sie können gemeinsam mit den Schülern und Schülerinnen überlegen, was jetzt mit dem leeren Platz geschieht.

Beim Tod einer Lehrerin oder eines Lehrers

Wenn ein Lehrer oder eine Lehrerin stirbt, haben viele Schüler und Schülerinnen den Wunsch, mit der Familie in Kontakt zu treten und ihr Beileid zu bekunden. Andererseits besteht zu den Angehörigen in der Regel kaum Kontakt. Hier könnte ein dem/der Verstorbenen nahestehender Kollege oder eine Kollegin diese Aufgabe übernehmen.

 

Wenn die verstorbene Lehrperson Klassenlehrer in einer Klasse war, könnten einige der Vorschläge, die unter der Rubrik "Tod eines Schülers/einer Schülerin" stehen, sinnvoll sein. Ebenso ein Ort, der im Schulhaus zur Gestaltung zur Verfügung gestellt wird, mit Kondolenzbuch, Kerze und einer Möglichkeit, die Trauer auszudrücken.

Bei einem Suizid

Hat sich der Schüler oder die Schülerin selbst getötet, löst dies häufig die Frage nach dem "Warum" oder sogar Schuldgefühle aus. Oft führt ein ganzes Bündel an Motiven zum Suizid, aber der letzte Auslöser kann ein ungeschicktes Wort, eine schlechte Note, ein Streit u.a.m. sein. Diese Schuldgefühle sollten zum Ausdruck gebracht werden können, ohne dass Schuldzuweisungen erfolgen. Hier ist eine zusätzliche fachliche Begleitung besonders hilfreich.

Beim Tod von Eltern oder Geschwistern

Versterben Eltern oder Geschwister, kommen die betroffenen Kinder und Jugendliche oft mehrere Tage nicht zur Schule. Diese Zeit sollte dazu genutzt werden, die Klasse zu informieren und zu besprechen, wie man den Schüler/die Schülerin unterstützen könnte, vor allem, was am ersten Tag nach der Rückkehr in die Schule helfen könnte.

 

Der Tod eines Elternteils oder beider verändert das Leben eines Kindes vollkommen.
Dies gilt auch für den Tod von Geschwistern. Hier verlieren die Schüler und Schülerinnen nicht nur eine Schwester oder einen Bruder, sondern häufig auch noch die Eltern, wie sie sie kannten. Diese sind oft - von ihrem Schmerz überwältigt - völlig mit sich selbst beschäftigt.


Stirbt ein Elternteil, kann auch die finanzielle Situation prekärer werden.

In diesen Fällen leisten Kinder häufig Enormes. Sie 'funktionieren' zu Hause und oft auch in der Schule.

Die Schule wird auf der einen Seite unter Umständen als der Ort erlebt, an dem alles "gewohnt" weiterläuft. Auf der anderen Seite sind die Gedanken nicht immer bei der Sache. Die Trauer kann sich unerwartet äußern und anders, als Erwachsene das erwarten.

 

Hier kann den Schüler/innen gegenüber zum Ausdruck gebracht werden, dass man wahrnimmt, was sie leisten und Verständnis für ihre Situation signalisieren. Wenn ihnen alles zu viel und die Trauer zu groß wird, kann man einen geschützten Rückzugsort anbieten.

Gestaltung des Klassenzimmer im Krisenfall

Wenn genügend Zeit zur Verfügung steht, können die Schüler/innen ihren Gefühlen auch in gestalterischer Form Ausdruck geben. Dies hilft, Spannungen abzubauen, den eigenen Gefühlen nachzuspüren und bietet Möglichkeiten hilfreicher Bewältigung.

  • Eine Kerze anzünden
  • Von den Schülern mehrere Kerzen (Teelichter) anzünden lassen („Ich möchte ein Licht anzünden für…“)
  • Ein Windlicht erstellen mit einem Glas, Kleister und Transparentpapier oder mit Geschenkbändern, die um das Glas gewickelt werden.
    Oder aus Architektenpapier eine Röhre erstellen, in die ein Glas mit Kerze gestellt wird. Auf das Architektenpapier kann der Name des/der Verstorbenen geschrieben werden.
  • Den Namen mit Bezug auf die Persönlichkeit mit Wachskreide auf schwarzem Tonpapier gestalten.
  • Auf ein DIN A 4 Papier die Buchstaben des Names untereinander schreiben. Zu jedem Buchstaben eine Eigenschaft der Person. Der Buchstaben kann am Anfang stehen, aber auch an jeder anderen Stelle.
  • Einen Platz/eine Wand im Klassenzimmer gestalten (dazu überlegen, wie damit später umgegangen wird)
  • Erinnerungen malen lassen oder Eigenschaft als Schmucktext gestalten
  • Ein Gebet formulieren, Fürbitten, einen Psalm
  • Einen Brief schreiben (der zum Beispiel mit ins Grab gegeben werden kann). Anregungen: "Was ich Dir noch sagen wollte... was ich noch gerne mit dir erlebt hätte..."
    Eine Klagewand gestalten: Bilder der Westmauer von Jerusalem aufhängen und erklären, warum dort „Briefe an Gott“ hinterlassen werden.
  • Die Schüler/innen gestalten aus Packpapier „Steine“ und kleben diese an die Wand, pro Schüler mindestens einen „Stein“. Die „Steine“ sollten nur am oberen Rand festgeklebt werden, denn unter den „Steinen“ können die Gebete festgeklebt werden.
    (Quelle: „Gott, steh mir bei!“ Magdalene Pusch, RU primar, Vandenhoeck & Ruprecht)
  • Einen Text schreiben, der in einen „Tränenkrug“ geworfen wird
  • Einen Bilderrahmen ausfüllen (entweder mit Gegenständen oder in gemalter Form)
  • Blätter beschriften und an einen Baum hängen (lässt weiterführende Gestaltungsmöglichkeiten offen: Hoffnungsbaum)
  • Gefühle in Form eines „Elfchens“ notieren: Ein Gedicht, das sich nicht reimt, bestehend aus elf Wörtern in fünf Zeilen.
    1. Zeile: Ein Wort (Eigenschaft oder Farbe)
    2. Zeile: Zwei Wörter (Personen oder Gegenstände mit dieser Eigenschaft bez. Farbe)
    3. Zeile: Drei Wörter (nähere Beschreibung von der Person oder dem Gegenstand)
    4. Zeile: Vier Wörter (beginnt mit „ich“ – Aussage über sich selbst)
    5. Zeile: Ein Wort (etwas abschließendes)
    (Quelle: „Kinder bei Tod und Trauer begleiten“, Petra Hinderer, Martina Kroth, Ökotopia-Verlag)
  • Wutkasten
  • Steine beschriften und ablegen
  • Fußabdrücke gestalten
  • Papierblumen gestalten und beschriften, die in eine Vase gestellt werden
  • Herzenswünsche gestalten
  • Eine Erinnerungsschachtel füllen/eine Erinnerungscollage erstellen
  • Ein "Memorybuch" gestalten mit Bildern und Texten und es den Eltern geben
  • Unter Umständen Grabbeigaben oder einen Kranz gestalten
  • Ein Bild des verstorbenen Kindes aufstellen, Erinnerungsgegenstände dazu legen
  • Vielleicht ist es aber auch notwendig, eine "trauerfreie" Zone zu gestalten
  • Aus den Ideen können auch einzelne Ecken oder Inseln gebildet werden (malen, schreiben, Musik hören, gestalten...ebenso eine 'trauerfreie Zone')
  • Viele Schuldekanate stellen Trauerkoffer mit ansprechenden Materialien bereit.
  • Überlegen, wie man weiter in der Klasse damit umgehen will. Einen speziellen Platz gestalten, kleine Rituale in bestimmten Abständen, Schweigezeiten…
Gestaltungsmöglichkeiten im Schulhaus

Es gibt immer wieder Situationen, in denen es Sinn macht, im Schulgebäude für alle Schülerinnen und Schüler einen Ort der Trauer und des Klagens einzurichten, bei größeren Katastrophen zum Beispiel.

  • Kondolenztisch
    Einen Tisch schön gestalten, mit Tüchern, einer Kerze in einem Glas, kleinen Text- und Gebetskarten, Blumen u.a.m. Dazu ein Kondolenzbuch, das über einen längeren Zeitraum ausliegt und in dem die Schüler und Schülerinnen, aber auch die Lehrkräfte ihren Gedanken, ihrer Trauer und ihrem Mitgefühl mit den Angehörigen Ausdruck geben können.

  • Trauerwand/Klagewand/Gedenkwand
    Gestaltung einer 'Wand', auf die geschrieben werden kann oder an die Texte und Bilder geheftet werden können.
    Es muss im Vorfeld überlegt werden, wie man diese Trauerwand im Laufe der Zeit gestaltet und wie sie „endet“.

  • Ein Kreuz oder eine Wand aus Backsteinen gestalten, in die Öffnungen können Zettel gesteckt werden.

  • Eine Stellwand mit Nachrichten, Informationen, Zeitungsberichten, Fotos, Gedanken, Interviews … gestalten.

  • Trauerecken/Trauerräume
    Gestaltung eines ansprechenden Raumes, in dem Schülern und Schülerinnen kreative Möglichkeiten geboten werden, sich auszudrücken, Kerzen anzuzünden oder auch einfach nur still da zu sitzen.
    Günstig ist es, wenn erwachsenen Ansprechpersonen anwesend sein können.

  • Gedenkminuten
    Gemeinsame Gedenkminuten im Schulhaus oder auf dem Schulhof.

  • Die Erinnerung gestalten
    Etwas soll weiterleben. Es könnte ein Bäumchen im Bereich des Schulgeländes gepflanzt werden.
Arbeiten mit Bildern, Gegenständen und Texten

Wenn es nicht direkt um den Tod einer Einzelperson in einer Klasse geht, sondern um andere Anlässe wie zum Beispiel Katastrophen, mit denen sich die Schüler und Schülerinnen beschäftigen oder um Terroranschläge/Amokläufe, bietet sich die Arbeit mit Bildern, Texten oder Gegenständen an.

 

Gegenstände könnten sein: Steine, Uhren, Blumenzwiebeln, Samen, Blüten, Kreuz, Engelbild, Bibel, Kerze, Scherben, Ringe, Kugeln, Spielfiguren, Erde, leere Schneckenhäuser, Würfel, Federn, Schlüssel, Blätter, Perlen u.a.m.

 

Alternativ finden Sie hier Bilder (in der Bildergalerie sehen Sie eine Vorschau) und Textkarten.

Eine Mitte wird gestaltet mit einem Tuch und einer Kerze. Die Gegenstände/Bilder/Textkarten werden ausgelegt.

 

Jede/r wählt sich einen Gegenstand, Bild oder Textkarte aus, welches ihn oder sie jetzt in diesem Moment am meisten anspricht oder die eigene Stimmung am besten wiedergibt. Die übriggebliebenen Materialien werden weggenommen.


Man kann etwas zu seinem Bild sagen - ohne dass dies kommentiert wird. Vielleicht möchten einige ihr Bild aber auch schweigend in die Mitte legen. In geeigneten Gruppen kann auch ein Austausch an Assoziationen, Gedanken und Erfahrungen stattfinden.


Wenn man entsprechende Steine zur Verfügung hat, könnte man auch eine einfach Mitte mit einer Kerze auf einem schwarzen Tuch oder einem groben Leinen gestalten und die Schüler/innen beschriften die Steine mit ihren Gefühlen/Gedanken und legen sie in die Mitte.

 

Anstelle einer Mitte könnten auch 'Inseln' vorbereitet werden, mit ausgewählten Bildern, Texten, Malmaterialien und zwei Aufgabenblättern: eines zu dem Gedicht von Bonhoeffer "Von guten Mächten" und eines zu dem Satz von Nina Ruge "Alles wird gut".

Zur Frage nach dem "Warum"

Warum hat Gott bei Katastrophen, Terroranschlägen und Amokläufen nicht eingegriffen?

Naturkatastrophen / Durch Technikversagen ausgelöste Katastrophen

Bei großen Naturkatastrophen wie dem Tsunami wie auch bei durch technisches Versagen ausgelösten Unglücksfällen stellt sich im Gespräch und Gedenken oft die Frage, warum Gott nicht eingegriffen hat. Hier sind Religionslehrer/innen in besonderer Weise gefordert. Einige der folgenden Gedanken könnten bei der Gesprächsvorbereitung eine Hilfe sein.

 

In Predigten von Bischof Wolfgang Huber, Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter und Bischof Karl Lehmann wurden dazu folgende Gedanken geäußert:

In Naturkatastrophen werden uns Menschen Grenzen aufgezeigt. Wir können so viel, wie forschen, wir verbessern, wir produzieren – und dennoch, die Natur können wir nicht besiegen.

Menschen sind Wesen von begrenzter Macht, beständig gefährdet, auch durch die Natur, angewiesen auf die Liebe Gottes.

Wir wünschen uns, dass der allmächtige Gott uns vor diesem Leiden bewahrt, dass er eingreift. Aber Gottes Allmacht ist nicht der eines Computerspezialisten, der auf den „Schicksalsknopf drückt“.

Die Allmacht Gottes besteht und bestand noch nie darin, das Böse vollständig auszulöschen. Gott über seine Allmacht als Liebe zu den Menschen aus. Das ist eine andere Allmacht als willkürliche Beherrschung aller Wirklichkeit.

Die Erde gehört uns nicht. Wir sind nur Gäste auf ihr. Ein Leben ohne Störungen, Katastrophen, ohne Krankheiten, ohne Unglück ist uns nicht versprochen worden.

Was uns göttlich versprochen ist, ist dies: Beistand in allem Schweren, Kraft zum Tragen, Solidarität, Fähigkeit zu gerechtem Leben und Mitmenschlichkeit, Hoffnung über die Welt hinaus.

Jesus ist den ganzen Weg der Menschen mit all seinem Leiden, seinen Qualen bis hin zu Folter und Tod mitgegangen. Auch wenn wir uns durch ihn erlöst und befreit fühlen, bleiben viele Anfechtungen, Tod und Zerstörung. Aber sie haben nicht das letzte Wort.

 

Terroranschläge / Amokläufe

Während bei Naturkatastrophen sich die Frage nach der Schuld nicht stellt, kommt diese in Amokläufen und Terroranschlägen noch hinzu – sie hinterlassen Wut und Ratlosigkeit. Dies führt häufig – vor allem in den Medien – zu einer Dämonisierung des Täters.

 

Bundespräsident Rau hat dies nach dem Anschlag von Erfurt so formuliert:

„Wir sind ratlos. Wir haben nicht für möglich gehalten, dass so etwas bei uns geschieht. Wir sollten unsere Ratlosigkeit nicht zu überspielen versuchen, mit scheinbar naheliegenden Erklärungen. Wir sollten uns eingestehen: Wir verstehen diese Tat nicht. Wir werden sie – letzten Endes – auch nie völlig erklären können.“

„Gewiss, wir möchten verstehen, was den Täter angetrieben, was ihn verführt, was ihn jeden menschlichen Maßstab hat verlieren lassen. Wir suchen nach Ursachen und nach Verantwortung. Wir möchten schnell wissen, welche Konsequenzen gezogen werden müssen, damit so etwas nicht wieder geschieht.“

Auch wenn der Täter gefasst und vor Gericht gestellt worden wäre, bleibt in solch einem Fall immer eine Lücke menschlicher Gerechtigkeit.

„Meine Gedanken gehen auch zur Familie des Täters. Niemand kann ihren Schmerz, ihre Trauer und wohl auch ihre Scham ermessen. Ich möchte ihnen sagen: Was immer ein Mensch getan hat: Er bleibt ein Mensch.“

 

Nach dem Terroranschlag vom 11. September auf das World-Trade-Center sagte Bischof Huber in einem Ökumenischen Gottesdienst in Berlin zu den Opfern:

„Die Tausende, die gestern durch verbrecherische Gewalt ums Leben gekommen sind, Brüder Jesu Christi und Schwestern Jesu Christi, jede Einzelne und jeder Einzelne zum Leben bestimmt, nicht zum Tod. Und deswegen ist das Erste, was uns zusammenführen muss an diesem Tag, die Klage über zerstörte und verloren Menschenleben, abgebrochene Hoffnung und die tiefste Verletzung menschlicher Würde.“

Und über die Täter: „… dass sie sich rechtfertigen und verantworten müssen, vor dem allmächtigen Gott, unabhängig von den Fragen der Religion, unabhängig von der Trennung der Religionen, unabhängig von Glauben und Unglauben.“

Wolfgang Huber, Predigt im ökumenischen Gottesdienst am 12. September 2001 in der St. Hedwigs-Kathedrale

Anregung für eine christliche Gedenkfeier

Bei größeren Trauerfällen finden in der Regel gemeinsame Trauerfeiern statt. Oft wird von den Religionslehrkräften erwartet, dass sie sich einbringen.
Hier ein "Gerüst" für solche Feiern, die einen christlichen Kontext voraussetzen:

 

Andacht/Gedenkfeier

  • Ankommen - Meditative Instrumentalmusik
  • Begrüßung und einleitende Worte (Anlass)
  • Gemeinsames Lied
  • Gemeinsam: Psalm 23 / Psalm 139 / Psalm 42
  • Gebet (kann auch ein von Schülerinnen und Schülern formuliertes Gebet sein)
  • Bibeltext, zum Beispiel Jesaja 43, 1 - 3
    Römer 8, 38 + 39, Lukas 7, 11 - 13a
  • Stille
  • Symbolhandlung
    Beispiele: Kerzen anzünden, Brief an Gott schreiben, ein Kreuz aus beschrifteten Karten gestalten, ein Samenkorn pflanzen, Steine vor Gott legen, Blätter für einen "Baum der Hoffnung" beschriften, Friedenstauben mit Hoffnungssätzen beschriften, ein Kreuz aus beschrifteten Spiegelscherben gestalten, ein Kreuz aus Blüten wachsen lassen ...
  • Bittgebet
  • Vaterunser
  • Abschlusslied und Segen
  • Musikstück
Anregung für eine multireligiöse Gedenkfeier

Immer häufiger sind bei Trauerfällen nicht nur christliche Schülerinnen und Schüler betroffen, sondern auch muslimische. Hier gilt es, alle betroffenen Religionen und Weltanschauungen mit einzubinden und gute Absprachen zu treffen.

 

So könnte eine Gedenkfeier aussehen:

  • Instrumentalmusik als Vorspiel
  • Begrüßung und einleitende Worte
  • Votum und Eröffnungssure durch Priester /Pfarrer / Imam / Lehrkraft
  • Lied oder Instrumentalmusik
  • Gebet / Psalm / Sure
  • Lesung aus Bibel / Hadith...
  • Aktion / Symbolhandlung
  • Geschichte
  • Lied oder Instrumentalmusik
  • Bittgebet
  • Segen durch Priester / Pfarrer / Imam / Lehrkraft
  • Instrumentalmusik als Nachspiel